18
Mai
2006

Die eigene Geschichte

Ich dachte, ich hätte nur Gefühlsgeschichten von Leere und Melancholie... und ich wusste schon, dass das leider nicht Alles ist. Wäre das Alles, man würde Magierin oder spirituell, was ja das Gleiche ist, oder verrückt und darin dann doch auch alles zusammen. Obwohl ich mir das Fallenlassen immer wie etwas vorgestellt habe, was andere können und ich nicht. Und deren abenteuerliche Verrücktheiten wie etwas, wozu ich nicht fähig bin. Ich funktioniere kafkaesk und unanerkannt in einem Brotberuf, auf den ich einfach nur kotzen könnte. Ich habe die anderen beneidet, gerade E., die süße kleine Zicke, die bei akuter Sozialnot immer psychotische Schübe bekam. Dennoch kann ich mir das unermessliche Leid eines psychotischen Schubs ja dann doch nicht vorstellen, und der Neid, das war mir immer klar, ist zynisch. Ich hänge ganz gerne vor dem Abgrund rum, damit es mir nicht zu wohl wird, ich sehe der Gefahr ins Auge, aber ich lass mich nicht fallen.
Na und heute dann: Szenenwechsel. Mir war ja schon recht seltsam zumute. Und dann durfte ich an einem einzigen Tag und geballt von allen Seiten erfahren, dass die Realität wie ein Kanonenkugelgewitter auf einen eindreschen kann. Gestern wollte ich konkret leben, heute hätte ich gut verzichten können, aber da war´s dann auch schon so weit. Auf ein einziges Mal: Entdeckungsangst vor dem Chef, der mich hinter meinem Rücken plötzlich übel verleumdet. Behörden, die mich und den andern in der Erstheimat umkreisen, aufs Scheußlichste.
Da ist man schon so richtig seelenumschwirrt durcheinander, und dann kann man es absolut nicht fassen, dass die Welt, die einen zu ignorieren beliebt, weil sie so anders ist, plötzlich mit ihren Regularien kommt, die vielleicht für durchtrainiert-dynamische Menschen passen, aber doch nicht für mich. (Vor genau drei Jahren, als mein Bruder erschossen wurde, da konnte ich es wochenlang nicht fassen, welche Welt mir weiter Mahnungen und Behördenbriefe und Anfragen in den Briefkasten schütten darf, hat sie denn nicht still zu stehen, wenn das Finsterste passiert? Kann sie nicht manchmal EINFACH still stehen?)
Im Laufe von wenigen Stunden wurde mir aber ein einziges klar: Wenn die Kanonenkugeln kommen, dann hilft nicht rausreden und Angst haben, da hilft nur noch die eigene Geschichte parat haben. Die vielen Anschuldigungen sind nur eine fragmentierte menschenferne Verwaltungsgeschichte, auf die man sich nicht einlassen darf. Man kann nicht dagegen reden, man muss nur noch für sich sein.
Ich bin von den Sternen grausam mit plutonischen Energien versorgt. Das hat viel mit Angst und Macht und Angst vor der Macht zu tun. Und sorgt doch dafür, bei Bedrängnis stärker und konkreter und kämpferischer zu werden. Seelisch, nicht pragmatisch. Vielleicht. Wahrscheinlich.

Trackback URL:
https://wasserfrau.twoday.net/stories/2029620/modTrackback

rosmarin - 19. Mai, 00:14

saublöd, dass wir die welt nicht manchmal anhalten können. dann könnte man in seelenruhe sich mal über den abgrund recken. und man könnte stillstehende kanonenkugelgewitter von unten betrachten und mit dem nächsten schnips..... schnell zur seite springen.

siam - 19. Mai, 11:45

Ein paar neue Punkte in einem Koordinatensystem, das ich mir zurechtlege, von denen ich noch nicht weiß, was sie sind und wo sie hingehören. Ein neues Wort - Geschichte.. Die eigene Geschichte. Was das sein soll? Noch viel zu wage, um sagen zu können, ich ahnte, was du meinst.
Aber ich bin mir sicher, dass ich es erfahren werde.
Plutonische Energien - inwiefern unterscheiden diese sich von Vulkanen, sind sie noch schlimmer, noch implosiver, noch zerfallender, oder letzten Endes gar das Gegenteil?
Grausam.. und zynisch. Vielleicht kenne ich die Grausamkeit. Obwohl.. ich habe sie erlebt, aber ich verstehe sie nicht. Jetzt bin ich vielleicht ebenfalls grausam.
Seelisch, nicht pragmatisch? Ich versuche immerzu das Gegenteil..

wasserfrau - 19. Mai, 13:38

Die Theorie der "eigenen Geschichte" ist mir auch noch ganz neu, denn sie entstand gestern. Und obwohl sie klar zu mir zu sprechen schien, kann ich sie auf Anhieb nicht besser erklären.
Plutonische Energien kommen mir weniger vor wie Vulkane, eher wie heftige Orkane, anhaltendes durchgeschüttelt und drüber und drunter gestülpt werden, dass einem hören und sehen vergeht.

siam - 19. Mai, 14:36

Eruption?
logo

waschmaschine

Das Leben zwischen Schonwaschgang und Schleudern

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Kontakt und Absicherung

Ganz kann ich mich der Tatsache ja nicht verschließen, dass man heutzutage Impressionales beitragen muss. Ich kann, so vermute ich, alle Inhalte meines Blogs selbst verantworten und werde mich auch bemühen, mich an geltendes Recht zu halten. Ich wurde protestantisch erzogen und bin in solchen Bemühungen also geübt. Den Inhalt externer Links kann und will ich nicht verantworten und distanziere mich also nicht nur von jenen, sondern auch von allen Erwägungen, mich dafür in Verantwortung zu ziehen. In irgend auftretenden Zweifelsfällen, viel lieber aber für freundliche Post, gibt es ab sofort ein offenes Scheunentor: eine_wasserfrau@gmx.de

Aktuelle Beiträge

ja, das ist die Frage
...mhmmm...wie hat denn nun dein neues Jahr begonnen?...
herbstfrau - 7. Mär, 17:48
take five....
take five....
rosmarin - 16. Jan, 00:35
Diesen Beitrag
habe ich verfasst, dann doch wieder offline gestellt....
wasserfrau - 13. Jan, 23:58
2012 - Zukunft revisited
Eben habe ich alle meine Posteingangsmails "unwiederbringlich"...
wasserfrau - 9. Jan, 01:31
Eins ist klar
ich werde 2012 Tel Aviv sehen
wasserfrau - 7. Jan, 01:25

stat

Zum Glück gibt´s Bücher


Per Olov Enquist
Ein anderes Leben


Julia Franck
Die Mittagsfrau

Wer guckt?

Suche

 

Status

Online seit 7187 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 7. Mär, 17:48

Credits


Buntwaesche
Frischwasser
grauschleier
Im Prinzip
Kochwaesche
Schleudern
Schmutzwaesche
Schonwaschgang
Spuelen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren