29
Mai
2006

Zurück in die Zukunft

Als Nachtrag nun ein Text aus den kurzen, lebensvollen Tagen in der Rhön, erst mal ein Foto:

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19.mai, abends, Ostheim/Rhön/Unterfranken
So, ihr Lieben, jetzt sitze ich: Freitags abends um zehn hier unvernetzt in der Rhön und schreibe an euch. Was ihr natürlich gar nicht mitkriegt, sondern dann höchstens zeitverzögert.
Das waren wirklich schöne Tage mit euch, irre eigentlich, ich hätte nie gedacht, wieviel Begegnung „einfach“ über Worte, Sprache, Phantasien und Grenzgängereien möglich ist.
Siam: Über den Text, den ich halb schreibe, halb wie er mir gegeben ward, nachhübsche, kann ich eigentlich nichts sagen. Das ist schlicht Kundschaft, die einen chaotischen unfertigen Text gerne in einen brillanten oder wenigstens passablen verwandelt sieht. Ich habe gestaunt bei eskorte mit ihrem Kullerkopf –Engagement. Etwa so, nur halt nur nebenbei. Für nahestehende Kundschaft, die weiß, dass sie mir vertrauen kann. Eigentlich handwerkliche Arbeit, eigentlich sprengt das mein Zeitbudget. Momentan jedoch ist mein einziges Produktionsmittel, mit dem ich mich wohl fühle, die Sprache. Da soll es mir dann recht sein.
Und so sitze ich jetzt spießig in einem kleinen Appartement in der Rhön und habe schwer phantasiert von Schlafsackschlafen auf Bergen und wasweißich.

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Aber immerhin ein Auf- und Ausbruch, auf dem Tisch steht Flieder, draußen tobt die Dorfbevölkerung. Ostheim ist direkt hinter der Grenze des Freistaats Thüringen, irgendwie die Schnittmenge aus Ost und West, weder, so sagt man mir, Hessen noch Bayern noch Thüringen, einfach der letzte Zipfel Unterfranken. Das sagen sie, als sei das hier eine autonome Republik – und das ist es mutmaßlich nicht.
Ich bekam selbstgekelterten Apfelsaft geschenkt, ein wunderbares Zeug. Ich habe kein Problem mehr im Moment. Die ganze Autobahnfahrt saß mit die Firma noch im Kopf und quälte mich – und ich quälte mich selbst, wie man soviel über das Loslassen und Riskieren und sowieso ganz existentialistisch-Grundlegendes sich heiß schreiben kann und doch eine Paranoia entwickelt, wegen den blödsinnigsten Kleinigkeiten eines Betriebs, an dem man nicht hängt – äh, ganz im Gegenteil. Wie man so kleinmutig sein kann und so großspurig.
Und wie ich eben einen eigenen Weg finde. Das Allein-Reisen als Frau, weiß Gott kein Abenteuer in diesem Fall, und doch – mit sich selbst unterwegs sein, ein bisschen. Flieder riechen, Kerze brennen. Neuer, flüchtiger Flieder, fremde, dicke Kerze. Ich hätte das in der Wohnung in Erfurt nicht hinbekommen. Ich glaube, ich habe Angst vor den Dingen, die ich ansammle, hinstelle, hinwerfe, vor der bloßen Dinglichkeit in einer Wohnung, in der nichts lebt – und meine Vitalität kommt gegen die festgefahrene Dinglichkeit nicht an. Dinge bestürzen mich, außer es handelt sich um Kommunikationsmittel, Blumen, ein Teller, ein Glas, nicht viel mehr. Sehr liebe Bilder vielleicht noch. Selbst Bücher sind zwiespältig, Freunde, aber sind sie einmal gelesen und geblättert und stehen immer noch rum oder liegen gar irgendwo: dann überraschen auch sie mich seltsam. Aber ich kann Bücher nicht wegwerfen.
Und die Sprache, der Text, das ist immer flüchtig und neu. Das entsteht hier in ganz unbekannter Umgebung und ist doch immer noch meins, auf einem altersschwachen lap-top, den man fast ankurbeln muss, der mir mal hingefallen ist und einen schweren Riss über den Monitor hat. Egal.

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Jetzt ist es egal. Denn sonst, nach der Arbeit manchmal, da regt es mich auf, meine Lebensumstände, das nicht vorhandene Geld, das ein Mensch zieht, der mir nicht helfen kann. Ja, auch ich bin eine professionelle Retterin – und er, der hat´s geschafft mich an ein Rettungsprogramm zu binden. Ich kann momentan nicht bei ihm sein, da er wieder in tiefstem Schlamassel steckt, und ich außer mich käme. Das ist meine plutonische Herausforderung. Und er schafft es mit größter Gelassenheit und Würde von Schlamassel zu Schlamassel zu reiten, mit gnadenlos-ruhiger Konsequenz. Das festigt die Verhältnisse mehr als alles andere und ist für mich nicht-Bodenständige wahrscheinlich das non plus ultra der Erdenhaftung. Ich zeige mein Anderes so sehr in dieser Konstellation, die sogenannte Emotionalität, Impulsivität, Hysterie fast, Leidenschaft, Sehnsucht, aus-der-Haut-fahren. Bei ihm, bei mir, jetzt auch hier.
Konfrontieren kann ich mich im Moment nicht – und ich bin froh, dass ich es nicht muss.

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Eskorte fragile - 29. Mai, 22:59

zeit gibt es glaub ich für alles und jedes die richtige. manchmal muss man drauf warten, aber oft - so hab ich das erlebt - kommt sie, wenn man einfach innerlich eine bewegung macht - oder sie von außen angestoßen wird. diese bewegung ist manchmal bewusst und bei anderem, da merkt man, dass sich etwas schon lange, lange im hintergrund vorbereitet hat - jahre mitunter. andere und sogar man selbst, ist/sind dann von der konsequenz überrascht mit der man selbst dann handelt. geht mir oft so.
berichtige mich, wenn ich mich irre - aber ich hab so das gefühlt, bei dir wächst das gras.
schöne tage hattest du - danke für das dabeisein-dürfen im nachhinein. ich war ganz drin in deiner stimmung. sie fühlt sich ein bisschen so an, wie das erste foto, dass du gemacht hast (wunderbar ist es).

wasserfrau - 30. Mai, 09:52

Ja, das erste Foto ist die Stimmung und es gefällt mir auch ausgesprochen gut. Ich hätte diese anderen 0-8-15 Fotos gar nicht reinsetzen sollen, aber da war es mir zu bleiwüstig.

Eskorte fragile - 30. Mai, 10:04

es hat etwas von NACH allen dingen. weißt du, was ich meine? so als wäre das schlimmste schon geschehen, die schuld anerkannt und man bekommt endlich gelegenheit, sie zu bezahlen und hatte nie auch nur einen schimmer, dass das so gut tun kann. nur so - nach allem - kann man eins und befriedet sein für eine weile mit sich selber. so schaut es aus, das bild. dorthin bringt es mich auf geradem weg.
siam - 30. Mai, 11:39

ich kann mit Ruhe mitlesen, und der Teil, den ich selbst (noch?) nicht erfahren habe, ist mir eigentlich kaum unbekannt und das ist eines der Dinge, die mich immer wieder verwundern.
Also liebe wasserfrau, du hast einen schönen Reisebericht geschrieben, mit schönen Fotos. Es geht eine Ruhe davon aus, dass ich Eskortes NACH-allen-Dingen-Eindruck gut verstehen kann. Ein anderer Teil von mir beschäftigt sich jetzt mit dem Unbehagen, der für dich von Dingen ausgeht. Meine Wohnung war voll, dann war sie leer, jetzt habe ich sie wieder gefüllt, und weiß nicht, was mir besser gefällt. Ich werde micht wohl für beides entscheiden, so wie ich es immer tue.
Meine Bücher - sie machen sich gut, aber viele von ihnen sind leer. Die meisten sind Wegmarken. Eine gute Alternative zum Wegschmeißen ist Weggeben, willsagen, Verschenken. So tue ich jedenfalls jedes Mal, wenn es wieder in eine neue Wohnung geht. Ist wie Frühjahrsputz.
wasserfrau - 30. Mai, 11:38

Eine wunderschöne Interpretation!
Die lass ich noch ein wenig durch mein Herz und Hirn streichen.
Kommt mir sehr passend vor.

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