5
Jan
2010

Krass

So langsam sehe ich mich überhaupt in der Lage...
Ein Himmel voller Geigen, aus deren Strichen Tränen zu tropfen begannen. Und viele kamen.


Ich dachte, das neue Jahr kann gut anfangen. Dann ein Telefongespräch mit meinem Vater. Und Sätze, die mich fast betäubten. Da war es wieder, was ich nahezu vergessen hatte: Dass jemand mich - mein Vater - in Grund und Boden demütigen kann.
Natürlich ohne es zu wollen er sagt ja nur was er sagen muss. Ein rücksichtsloses Schwein.

Ja, so schreibe ich nun zu Beginn des Jahres 2010 über meinen Vater, tief verletzt. Weiß, dass ich längst mein eigenes Leben in FFM lebe und hier geliebt werde: Mann, Tochter, Freunde habe. Eine Welt. Und dass ein alter, fast 80Jähriger, einsamer Sack kommen kann und mich so demütigen, wie er es früher konnte.

Alles Alte kommt hoch. Habe den Liebsten in "Das weiße Band" geschleppt, die Geister scheiden sich an diesem Film, aber ich fand die Atmosphäre, genau die, unter der ich einmal litt und nun wieder leide wie Tier.
Genau die richtige alte Wunde hat er erwischt und im Vorübergehen dran gekratzt. Ich kann doch nichts dafür, ich werde doch 80.

Ich könnte viel mehr darüber schreiben - und schreibe auch ständig, für mich. Irgend ein gütiges Schicksal hat dafür gesorgt - das meine ich jetzt Ernst - dass ich klug genug wurde, den ganzen Scheiß zu überleben. Dass ich die Sprache gefuden habe und irgendetwas anderes in mir, das mich vielleicht leben lässt.
Ich will leben können und dürfen. Immer wieder stehen mir die Tränen in den Augen, es ist so neu, es ist so ALT.

Und dann hast Du es mit einem fast 80Jährigen Deppen zu tun, der seinen runden Geburtstag plant, als schreie er auf einem ostpreußischen Gut seine Knechtschaft an, dann weißt Du nicht, wie Du ihn loswerden kannst, diesen Alten, weil er ja so alt ist und keine Freunde hat.

Du weißt nur, warum er keine hat. Aber Du bist seine Tochter.

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fata morgana - 5. Jan, 08:01

liebe wasserfrau...in gedanken halte ich dich......nehm dich in den arm......

wasserfrau - 5. Jan, 19:58

liebe fata morgana ... ich danke dir. das tut gut.
ohnemilch - 5. Jan, 09:10

Und wie so ein alter Mann, der sich Vater nennt, so etwas kann. Er schlägt einen mit seinen Worten zu Boden, lässt einen die Nichtigkeit und Lächerlichkeit der eigenen Person spüren. Aber merkt selber nicht, dass er einfach nur alleine ist und ihn wegen genau dieser Selbstgefälligkeit keiner seiner Kinder mehr achtet. Trotzdem erzittern sie jedes Mal, wenn er wieder einmal zum Angriff ausholt und seine Töchter zu Boden wirft.

wasserfrau - 5. Jan, 20:01

gut beschrieben, danke. nur nichtig und lächerlich bin ich ja nicht wirklich:-) in seinen augen vielleicht, wie nahezu alle menschen. und doch spüre ich in deinen zeilen auch, was ich ohnehin vermute: eine bestimmte frauenfeindlichkeit, etwas, das gegen alles zarte und weibliche geht. auch das zarte bei anderen männern, schwulenfeindlichkeit sowieso. das ganze programm halt.
rosmarin - 5. Jan, 20:13

leider kenne ich den film nicht, aber ich werde das nachholen...
und was immer hinter diesen zeilen steckt...
kann keiner ermessen und daher nur einen trost, eine umarmung hier lassen.
...
ich persönlich glaube nicht, dass blut dicker als wasser sei. ganz und gar nicht. und ich denke auch, dass man menschen nicht von der konsequenz ihres so-seins oder ihres tuns abpuffern soll.
...
schlimm ist schlimm und so mancher alte mensch hat sich all das, was ihm im alter widerfährt, selbst und mit viel aufwand, eingehandelt.
....
sorry, vermutlich völlig neben dem thema.... darum lasse ich also auch jetzt einfach nur noch einen sehr freundlich und warm gemeinten gruß hier.

wasserfrau - 5. Jan, 21:02

nein, nicht wirklich neben dem thema, das ist die frage, die ich mir gerade stelle. aber sie ist für mich schwierig zu beantworen.
abgebrühter werden? (wie mein freund vorschlägt, der gar nicht versteht, warum mir das gerede irgend eines alten mannes nahegeht..., aber er kommt auch aus einem anderen stall...)
meine mutter ist im sommer gestorben - sie war das genaue gegenteil von ihm und konnte mit ihrer weinerlichkeit auch nerven, aber er redet derart verachtungsvoll über sie ... mein bruder ist auch schon tot, der andere hat die schnur komplett durchgeschnitten, der kommt nicht mehr zum alten... wir sind nur noch so wenige, ich dachte es wird besser, soviel trauer ist in mir - und dann kantet der um sich wie eh und je, nur schlimmer.
es ist offen für mich und vielleicht lasse ich ein paar stunden professionelles angucken ran (hypnotherapie? meine ich ernst...), es ist so schwer für mich allein.

den film kann ich nur empfehlen. wenn du ihn gesehen hast, lass wissen. (läuft umme ecke bei dir, harmonie!) dieses mal musste es "du" sein:-)
rosmarin - 6. Jan, 12:06

"drüber gucken lassen" finde ich immer eine gute idee.
"abgebrühter werden" ist sicherlich nicht so recht möglich, wenn man gerade so richtig aufgekocht wurde.
fürsorglich mit sich selbst.... ist leicht gesagt, aber sicher sinnvoll...
ach herrje.... das klingt schlimm.
und danke für den tip, harmonie ist ja tatsächlich umme ecke bei mir
:-)))
wasserfrau - 6. Jan, 16:23

stimmt haargenau:-) abgebrüht werden ist kein ziel, das man kurzfristig und durch willenskraft erreicht.
es geht mir schon darum, etwas prinzipieller klar zu kriegen, naja so prinzipiell wie es in dem schlamassel, der familie sein kann, halt mal geht.
ohnemilch - 6. Jan, 12:04

Das sie nicht nichtig und lächerlich sind, davon gehe ich aus! Sprach auch lediglich von dem wie man betrachtet wird, wie sie schon sagten. :-)
Verständnislosigkeit darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit der Mann, mit dem man lediglich ein paar Gene teilt, sonst aber rein gar nichts, von sich selber denkt lebenswerter, besser und bedeutender zu sein. Selbst und vorallem die einzige Frau die immer zu seiner Seite steht muss am meisten unter seinem Hochmut leiden. keine Dankbarkeit. Keines seiner grauen Haare zeugt von Weisheit, vollkommene überzeugte Selbstüberschätzung. Einfach da sitzen, es so gut wie möglich abprallen lassen und wissen, dass es mit jedem Tag schlimmer wird.

wasserfrau - 6. Jan, 15:14

liebe "ohnemilch": Ich habe den Eindruck, Sie kennen das auch - oder täusche ich mich?
ohnemilch - 6. Jan, 18:36

nur zu gut und immer wieder. leider. normal lassen mich irgendwelche spürche oder herablassende blicke kalt, aber wenn sie aus dieser richtung kommen fehlt mir die ignoranz.
wasserfrau - 6. Jan, 23:57

das dachte ich mir, dass Sie (Du?) das kennen. Anders wären die nahezu lyrischen zeilen gar nicht möglich. und es ist mir ein echter trost, dass solche "rahmenbedingungen" nicht nur meine sind. (rahmenbedingungen, die man von geburt an erlebt hat, also die in die eigene seele, wie was Normales, kriechen wollten.) Tröstlich für mich, aber ich finde es natürlich nicht schön, dass Sie das auch erleben "dürfen".
Hei, sollen wir eine Selbsthilfegruppe gründen? Wir könnten erst mal das Buch "Kriegsenkel" lesen. Und überhaupt noch recht viel Spaß haben, weil das können und wollen wir ja auch.
wasserfrau - 7. Jan, 00:10

und dann noch... ist jetzt wieder alles ein bisschen anders.. und so vielfältig... ich denke derzeit an meinen vater nur noch als "das schwein", geht jetzt nicht anders, und fange immer mit tränenflimern an, wenn andere von ihren familien erzählen. da ist in irgeneiner wohnung ein bild einer tochter, an der das vergilbte stolze schild des vaters hängt: hat mir j. zum 60. geschenkt. dieser tage erlebe ich fast stündlich entzückende familiengeschichten und jedes mal steigen mir die tränen in die augen (und jedes mal fragt sich der liebste, ob die frau an seiner seite sie noch alle hat.)
und dann - es war für mich wirklich fraglich, ob ich ausgerechnet dafür arbeitstauglich bin - fahre ich zu gebeutelten jugendlichen, die ich mag, aber die oberhart drauf sind, und fühle mich so souverän und in meinem leben stehend, dass ich tatsächlich das blut, das dicker sei als alles, gerne verdünnt als rinnsal hinwegdimmern sähe.

herbstfrau - 7. Jan, 11:41

Das Alte

holt einen immer wieder ein, auch wenn man es verdrängen will und manchmal denkt, man hat es geschafft. Irrgendwann bei Irgendwas kommt es hoch und man ist wieder machtlos. Machtlos? Wirklich? Warum lässt man es an sich heran. Man müsste egoistisch sein. Man müsste....
Wie du es mit deinem Vater schilderst, habe ich das so ähnlich mit meiner Mutter durch. Wenn sie kam, bekam ich Panik. Meine Familie schüttelte den Kopf. Ich konnte sie nicht umarmen. Ich hasste sie.
Jetzt ist sie krank. Demenz. Depressionen. Und ich übe mich täglich im Verzeihen. Schwer... aber manchmal gelingt es mir. Verzeihen ja. Vergessen nein. Oder doch irgendwann?

Alles Liebe für dich! Für dich selbst!

wasserfrau - 7. Jan, 23:24

Liebe Herbstfrau! schön mal wieder von Dir zu hören!!!
--- stimmt, ich dachte, ich hätte das halbwegs hintermir, dachte noch nicht mal es "verdrängt" zu haben. in den letzten jahren lebte meine mutte noch, aber sehr leidend. sie war im pflegeheim, und wenn ich unten in der "heimat", die keine ist, war, stand sie im mittelpunktder besuche. ich fand es manchmal tierisch schlimm, wie mein vater sie behandelt, hatte aber wenig eingriffsmöglichkeiten, da ich ja nicht in der lage oder bereit gewesen wäre, da jetzt selbst die verantwortung zu übernehmen, wie auch? die direkte konfrontation mit dem herrischen alten kocht erst jetzt wieder auf - ich hatte das nicht auf dem schirm, tja. ---

das thema "verzeihung" ist auch interessant. derzeit für mich nicht gerade an der tagesordnung, weils ja nochmal losgeht<. der ist zäh, hat direkt nach mutters tod mit kreuzfahrten angefangen, scharzwladthermalurlauben und was auch immer ... und hat ganz offensichtlich auch neue verachtungskapazitäten frei.
interessant finde ich dein thema gleichwohl. als es so richtig nach mir griff, habe ich "demütigung" gegoogelt: ich muss mich in krisen immer irgendwie auch gedanklich auseinandersetzen und sei es via internet und fand folgendes: http://www.akademieps.de/download/4284-Weingardt-Vergeben.doc ein bisschen sehr christlich, aber in weiten strecken sehr erhellend, finde ich.

liebe grüße an dich! das jahr ist ja noch jung, ich wünsche dir alles, alles gute dafür. auch für mich bin ich noch voller hoffnung, auch wenn es unerwartet mies begann.
herbstfrau - 8. Jan, 13:20

Interessante Aussagen..

ich danke dir sehr und habe mich gleich vertieft in diese Aussagen und Begründungen etc., vor allem diese Stelle:
"- Das Nachdenken über sich selbst: Warum bin ich so verletzt? Was sagt mir mein seelischer Schmerz über mich selbst? Wo ist bei mir evtl. noch etwas "unverheilt"?"
Das ist es, woran ich wohl arbeiten muss. nachdenken, wenn es auch weh tut. Eines habe ich schon gelernt-in anderem Zusammenhang: Wenn du vor etwas- hier der Angst- davon läufst, dann holt sie dich umso schneller ein. Also hinsehen, nachfragen.
Danke noch einmal und alles Liebe für dich. Das Jahr wird gut. Es kann nur besser werden. Alles Liebe von Regina

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